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Wetterderivate |
Übersicht
Wetter Indices der Deutschen Börsen eröffnen Marktteilnehmern einen
kostenlosen Zugang zu wirtschaftlich relevanten Wetterdaten. Darüber hinaus
sollen die Indizes bei sich abzeichnender Marktreife in der Zukunft als
Underlying für an der Eurex gehandelte Wetterderivate dienen. Im Folgenden
erhalten Sie grundlegende Informationen zu Wetterderivaten und den geplanten
Produkten der Eurex.
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Historische
Entwicklung
Der wirtschaftliche Erfolg einer Vielzahl von Wirtschaftszweigen wird von
Wetterereignissen beeinflusst. In einem relativ kühlen Sommer können
beispielsweise die Getränke- und Eiscremeindustrie weniger absetzen als in
einem heißen Sommer. Zu heiße, zu kühle, zu trockene oder zu feuchte Sommer
dagegen beeinflussen die Qualität und Quantität der Ernten in der
Landwirtschaft. In einem milden Winter werden weniger Brennstoffe verbraucht
als in Jahren mit starkem Frost. Hoteliers in den Bergen verzeichnen in
Jahren mit wenig Schnee Verdienstausfälle. Die Liste der vom Wetter
beeinflussten Wirtschaftszweige lässt sich fast beliebig fortsetzen. Bis
1997 konnten sich Unternehmen gegen solche Wetterrisiken, wenn überhaupt,
nur durch klassische Versicherungspolicen absichern. Das erste publik
gemachte Wetterderivat wurde im September 1997 in den USA zwischen zwei
Energieversorgern gehandelt. Ziel des Derivates war es, durch
Temperaturschwankungen ausgelöste Veränderungen in den Stromabsatzmengen der
beiden Energieversorger während der Wintersaison 1997/98 monetär
auszugleichen. Das einfache Produktkonzept analog zu seit Jahrzehnten
bekannten Finanzoptionen sowie der einleuchtende ökonomische Nutzen führten
in der Folgezeit zu der Entwicklung eines neuen Derivatezweiges, dem Handel
von Wetterderivaten. Bis zum Sommer 2000 wurden insgesamt mehr als 2.500
Transaktionen mit einem Gegenwert von über US$ 7 Mrd. gemeldet. Die
umsatzstärksten Marktteilnehmer sind bisher große Investmentbanken,
Rückversicherungen und eine Reihe an Energieversorgern. Aktive
Marktteilnehmer kommen aber auch aus der Landwirtschaft, dem produzierenden
Gewerbe, der Freizeit-, Lebensmittel- und Getränkeindustrie, der
Bauwirtschaft sowie der Textilwirtschaft.
In Europa wurde die erste Transaktion mit Wetterderivaten im Herbst 1998
gemeldet. In 1999 folgten ihr sieben weitere. Im März 2000 kam schließlich
die erste Transaktion mit Beteiligung eines deutschen Marktteilnehmers,
einem Energieversorger, zustande. Marktteilnehmer schätzen den nominellen
Gegenwert europäischer Wetterderivate im Sommer 2000 mit Euro 75 Mio. auf
wenig mehr als 1% des amerikanischen Volumens.
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Grundstrukturen
Rund 3/4 aller Wetterderivate werden in Form von Optionen gehandelt, etwa
1/4 aller Wetterderivate sind Swaps und einige wenige Transaktionen beziehen
sich auf komplexere Optionskombinationen wie Collars, Straddles, Strangles
und andere. Alle genannten Arten von Wetterderivaten zeichnen sich durch
sieben gemeinsame Spezifikationsparameter aus:
Ort: In der Regel beziehen sich Wetterderivate auf eine Messstation an
einem bestimmten Ort, z. B. den Flughafen Frankfurt.
Zugrundeliegender Index: Die gebräuchlichsten Indizes sind HDD und CDD
Indizes. Niederschlagsmengen, Windgeschwindigkeiten und andere
Wettermerkmale sind aber ebenfalls möglich.
Zeitperiode: Wetterderivate beziehen sich in der Regel auf monatliche,
z.B. Januar 2001, oder saisonale Perioden, z. B. Heizperiode von Oktober
2000 bis März 2001.
Ausübungspreis: In den meisten Fällen wird der Ausübungspreis in HDD oder
CDD angegeben. Er kennzeichnet den Wert, ab dem eine Vertragsseite der
anderen finanzielle Ausgleichszahlungen leisten muss.
Nominalbetrag: Dies ist der in Euro gemessene Wert, z. B. Euro 10.000 pro
gemessenen HDD, den eine Vertragsseite an die andere zahlen muss.
Obergrenze (Cap) bzw. Untergrenze
(Floor): Caps und Floors begrenzen die
maximale Auszahlung, die sich aus einem Wetterderivat ergeben kann. Sie
werden in der Regel ebenfalls in HDD oder CDD angegeben.
Prämie: Bei Optionskontrakten zahlt der Käufer der Option an den
Verkäufer eine individuell vereinbarte Prämie. Swaps kommen aufgrund der
symmetrischen Zahlungsstruktur in der Regel ohne Prämienzahlungen aus.
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Wetterindizes |
Kurze
Einführung zu Energiegradtagen, Heizungsgradtagen und
Kühlungsgradtagen
Obwohl Wetterderivate sich auf eine Vielzahl unterschiedlicher
Wetterparameter wie Niederschläge, Windgeschwindigkeiten, Bedeckungsgrade
und andere beziehen können, werden bei über 95% aller OTC-Wetterderivate
Temperaturen als zugrundeliegende Bezugsgröße gewählt. In den USA und auch
in Europa begann der Handel mit Wetterderivaten zwischen Stromversorgern.
Bei den meisten Versorgern korrelieren die täglichen Stromabsatzmengen eng
mit der Differenz zwischen der aktuellen Tagesdurchschnittstemperatur
((Tagesmaximum - Tagesminimum)/2) und einer festen Vergleichstemperatur. Je
nach dem wie weit die Tagesdurchschnittstemperatur von der definierten
Vergleichstemperatur abweicht, kann die Stromnachfrage höher oder niedriger
ausfallen, sodass Temperaturschwankungen sich auf die Profitabilität der
Energieversorger auswirken. Um dieses Risiko gegenüber der täglichen
Durchschnittstemperatur zu messen, entstand das Konzept der sogenannten
Gradtage (Im folgenden werden die im Wetterhandel etablierten amerikanischen
Abkürzungen verwendet: DD = Degree Days (Gradtage); EDD = Energy Degree Days
(Energiegradtage), HDD = Heating Degree Days (Heizgradtage) und CDD =
Cooling Degree Days (Kühlungsgradtage)). Dieses ist nunmehr das Standardmaß
für die große Mehrheit aller Transaktionen, auch außerhalb der
Energiewirtschaft. Ausübungspreise bei Optionen und Limite werden in
Gradtagen angegeben. Der Wert eines Gradtages wie auch eventuelle Limite
werden im OTC-Markt individuell zwischen Käufer und Verkäufer ausgehandelt.
Möchte beispielsweise ein Käufer einen Kontrakt mit einem Limit von 500
Gradtagen und einer Auszahlung von Euro 10.000 je Gradtag erwerben, so
kommen auf die Vertragspartner Ausgleichszahlungen von bis zu Euro 5 Mio.
(500 DD x Euro 10.000) zu.
Ein Energiegradtag
(EDD) ist ein Grad Differenz zwischen der täglichen
Durchschnittstemperatur über oder unter der Vergleichstemperatur von 18°C
(in den USA 65°F). 18°C wurden deshalb als Vergleichstemperatur gewählt,
weil viele Haushalte bei niedrigeren Temperaturen ihr Heizungen und bei
höheren Temperaturen - insbesondere in den USA - ihre Klimaanlagen
einschalten. Dies führt automatisch zu zwei weiteren Schlüsselbegriffen, die
bei Wetterderivaten häufig Verwendung finden. Ist die
Durchschnittstemperatur eines Tages geringer als 18°C, so werden die dabei
gemessenen Gradtage auch Heizgradtage (HDD) genannt. Liegt die tägliche
Durchschnittstemperatur über 18°C, so werden die Gradtage Kühlungsgradtage
(CDD) genannt. Mathematisch ausgedrückt heißt dies:
Tägliche HDD = Maximum (0, 18°C - tägliche Durchschnittstemperatur)
Tägliche CDD = Maximum (0, tägliche Durchschnittstemperatur - 18°C)
Demnach hat ein Tag mit einer Durchschnittstemperatur von 2°C insgesamt
16 HDD und 0 CDD. Analog hat ein Tag mit einer Durchschnittstemperatur von
27°C insgesamt 0 HDD und 9 CDD. Beide Tage zusammengefasst ergeben 25 EDD,
16 HDD und 9 CDD für die Zweitagesperiode.
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Anwendungsbeispiele |
Absicherung
mit einer Put-Option
Stromlieferant Energiedirekt aus Süd-Hessen stellt fest, dass sein
Stromabsatz bei einem Temperaturanstieg von 1°C um 400 Mwh pro Tag
zurückgeht. Bei einem durchschnittlichen Preis von Euro 18/Mwh entspricht
dies über einen Monat einem Umsatzverlust von Euro 223.200 (18 Euro /Mwh x
400 Mwh x 31 Tage). Dies bedeutet, dass der Stromlieferant in milden Wintern
wesentlich weniger Energie verkaufen kann als in kalten Jahren. In den
letzten 30 Jahren (1969-1998) lag die durchschnittliche Heizgradtageszahl
für den Monat Januar in der Stadt Frankfurt bei 686,4. In 18 der genannten
30 Jahre lag die HDD-Zahl für den Monat unter dem Wert von 500. In diesen
Jahren konnte der Stromlieferant besonders wenig Energie verkaufen. Um sich
nun gegen die Umsatzausfälle in einem milden Januar abzusichern, beschließt
er, im September 2000 eine Put-Option auf die HDD-Zahl des Januars 2001 mit
einem Ausübungspreis von 500 HDD und einem Multiplikator von Euro 7.200
(=400 Mwh x Euro 18/Mwh) je HDD zu kaufen. Da es in den letzten 30 Jahren
keinen Januar mit weniger als 400 HDD gegeben hat, vereinbart der
Stromlieferant für die Put-Option ein Limit von 100 HDD (Ausübungspreis 500
HDD - Minimum HDD 400). Die 100 HDD entsprechen einem maximalen
Auszahlungsbetrag der Option von brutto Euro 720.000 (100 HDD x Euro 7.200/HDD). Der Verkäufer der Option, die Investmentbank
Cashcollect,
verlangt für den Kauf der Option und die Übernahme des damit verbundenen
Risikos eine Optionsprämie in Höhe von Euro 120.000. Die folgende Grafik
zeigt das Auszahlungsdiagramm der Put-Option Ende Januar 2001 in
Abhängigkeit von den gemessenen HDD aus Sicht des Stromlieferanten
Energiedirekt:
Bei 500 HDD beginnt die Option an Wert zu gewinnen. Bei 483,3 HDD
erreicht sie den Break Even. Werden im nächsten Januar beispielsweise 450
HDD gemessen, so zahlt Investmentbank Cashcollect an den Stromlieferanten
Energiedirekt netto Euro 240.000 (Euro 7.200 x 50 - Euro 120.000) aus. Bei
gemessenen 400 HDD oder weniger erhält der Stromlieferant den Maximalbetrag
von netto Euro 600.000 (Euro 720.000 - Euro 120.000 Optionsprämie)
ausbezahlt. Bei einem kühlen Januar mit mehr als 500 HDD kann die
Investmentbank Cashcollect die eingenommene Optionsprämie von Euro 120.000
als Gewinn verbuchen und zahlt nichts an den Stromlieferanten. Dieser
profitiert aufgrund der Kälte in diesem Fall jedoch von erhöhten
Absatzmengen.
Der Kauf der Put-Option wirkt für den Stromlieferanten in dem obigen
Beispiel wie eine Versicherung. Ist der Januar relativ warm, so bekommt er
von der Investmentbank seine Umsatzeinbußen erstattet. Ist der Januar
relativ kalt, so bekommt er zwar keine Zahlung aus der Option, setzt aber
eine größere Strommenge ab. Durch den Einsatz der Wetteroption verringert
Stromlieferant Energiedirekt daher die Schwankungsbreite seines Umsatzes und
wird von extremen Temperaturentwicklungen nicht mehr nachteilig betroffen.
An positiven Temperaturentwicklungen partizipiert er jedoch weiterhin
vollständig. Lediglich die Optionsprämie wird unabhängig von der
eingetretenen Temperaturentwicklung in jedem Fall fällig.
Für die Investmentbank Cashcollect macht der Verkauf der Option Sinn, da
sie so in eine Asset-Klasse investiert, die nicht mit bestehenden
Investitionen im Aktien-, Zins-, Kredit- oder Währungsbereich korreliert.
Risiken werden gestreut und in anderen Geschäftsfeldern vorhandene
Strukturen, Systeme und erworbenes Wissen lassen sich ohne großen Aufwand
auf einen weiteren Bereich übertragen.
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Absicherung
mit einem Swap
Eisproduzent
Polar-Frost verliert mit jedem Grad Celsius unter dem langjährigen
Temperaturdurchschnitt des Monats Juli in dieser Zeit Euro 1.000.000 an
Umsatz.
Der
Spezialreiseanbieter Tropical Dreams ist in umgekehrter Weise vom Wetter
abhängig. Insbesondere im Last Minute Bereich kurbeln kühle Sommer
sein Geschäft richtig an. In warmen Jahren bleibt jedoch ein guter Teil
des Umsatzes aus, da es dann weniger Kunden zu exotischen Reisezielen
zieht. Der Reiseanbieter stellt fest, dass er durchschnittlich Euro
1.000.000 pro Monat Juli verliert, wenn die Durchschnittstemperatur um
ein Grad Celsius über dem langjährigen Durchschnitt liegt.
Sowohl
der Reiseanbieter Tropical Dreams als auch Eisproduzent Polar-Frost möchten
sich gegen das Geschäftsrisiko absichern, welches aus den
Temperaturschwankungen resultiert. Beide gehen daher folgendes
Swap-Geschäft ein:
Ein
Grad Celsius Abweichung vom Temperaturdurchschnitt über den Monat Juli
entsprechen 31 CDD (31 Tage x 1 Grad Celsius). Aufgrund des ohnehin
relativ milden Klimas in Deutschland betragen die durchschnittlichen CDD
von 1969 bis 1998 für Frankfurt für den Monat Juli knapp 70. Der
Maximumwert lag 1994 bei 177,5 CDD und das Minimum 1974 bei 17 CDD.
Tropical Dreams kauft von Polar Frost einen CDD-Swap, bei dem Polar
Frost für jeden CDD über dem langjährigen Durchschnitt von 70 am Ende
des Monats Juli 2001 Euro 30.000 an Tropical Dreams zahlen muß.
Umgekehrt verpflichtet sich Tropical Dreams, für jeden CDD unter dem
Durchschnitt von 70 jeweils Euro 30.000 an Polar Frost auszuzahlen. Zur
Begrenzung der maximalen Ausgleichszahlungen auf Euro 1,5 Mio.
vereinbaren die beiden Geschäftspartner eine Untergrenze (Floor) von 20
CDD und eine Obergrenze (Cap) von 120 CDD. Die folgende Grafik zeigt das
Auszahlungsdiagramm des Swaps für Ende Juli 2001 in Anhängigkeit von
den gemessenen CDD aus Sicht des Reiseanbieters Tropical Dreams:
Bei
70 CDD muss keiner der beiden Vertragspartner einer Zahlung leisten. Bei
beispielsweise 100 CDD erhält Tropical Dreams Euro 900.000 (Euro 30.000
x (100 CDD - 70 CDD)) von Polar-Frost. Dies entspricht in etwa seinen
Umsatzeinbußen bei einem Anstieg der Durchschnittstemperatur von 1 Grad
Celsius. Bei 120 oder mehr CDD greift das CAP, Tropical Dreams erhält
in diesem Fall immer Euro 1,5 Mio. (Euro 30.000 x (120 CDD - 70 CDD)).
Werden
weniger als 70 CDD gemessen, so muss Tropical Dreams an Polar Frost
Zahlungen leisten. Bei 40 CDD wären dies ebenfalls Euro 900.000 (Euro
30.000 x (70 CDD - 40 CDD)), welche die Umsatzeinbußen des
Eisproduzenten fast vollständig ausgleichen würden. Bei 20 oder
weniger CDD würde der Floor greifen. In diesem Falls würde Tropical
Dreams Euro 1,5 Mio. an Polar-Frost auszahlen.
Beide
Firmen erreichen durch den Abschluss des Temperatur-Swaps eine
Verringerung in der Schwankungsbreite ihrer Umsatzvolumina für den
Monat Juli. Anders als bei dem vorher beschriebenen Optionsgeschäft
profitieren sie aber nicht mehr in vollem Maße von einem für sie außergewöhnlich
guten Juli, da sie in diesem Fall Zahlungen an den Kontraktpartner zu
leisten haben. Dafür fällt bei Abschluss des Geschäftes aber auch
keine Optionsprämie an. Dies ist möglich, da die Risiken beim Swap
symmetrisch auf beide Vertragspartner verteilt sind, während beim
Optionsgeschäft die Risiken asymmetrisch von den Beteiligten getragen
werden.
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Hindernisse
Gesetzliche und steuerliche Behandlung von Wetterderivaten
Obwohl sich Wetterderivate technisch nicht von Aktien-, Zins- oder
Währungstermingeschäften unterscheiden, sind gesetzliche und steuerliche
Regelungen für letztere nicht automatisch in allen Ländern auch für
Wetterderivate gültig. Obwohl der Handel mit Wetterderivaten in den USA mit
Abstand am weitesten entwickelt ist, sind Wetterderivate beispielsweise wie
normale Versicherungsverträge von der FAS 133 ausgenommen. Diese ist die von
der US Financial Accounting Standards Board, dem Regulier für US
Bilanzierung, erlassene Regelung zur steuerlichen Behandlung von
Derivaten.
In Europa unterscheiden sich die gesetzlichen Regelungen zu
Wetterderivaten von Land zu Land. In Frankreich, Holland und Schweden fallen
Wetterderivate unter die gesetzlichen Regelungen für Warenterminkontrakte.
In Großbritannien werden Wetterderivate von der Securities and Futures
Authority (SFA) reguliert. In Deutschland, Italien und Spanien gibt es
keinerlei Regulierungen für Wetterderivate. In Polen könnten Wetterderivate
sogar als unautorisierte Versicherungsgeschäfte angesehen werden.
Unsicherheiten über den gesetzlichen Rahmen, die steuerliche Behandlung
und die Bilanzierung können Marktteilnehmer davon abhalten, ein eigentlich
sinnvolles Instrument zur Risikosteuerung einzusetzen. Die Erfahrungen aus
anderen neu entstanden Derivatemärkten zeigen aber, dass fehlende Regelungen
keine unüberwindlichen Hindernisse für die Entwicklung eines Derivatemarktes
darstellen. Bei dem derzeit stark wachsenden Handel mit Kreditderivaten hat
beispielsweise das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen sehr schnell in seinem
Rundschreiben 10/99 die Behandlung von Kreditderivaten im Grundsatz I gemäß
§§ 10, 10a KWG und im Rahmen der Großkredit- und Millionenkreditvorschriften
geregelt. Um einen Branchenstandard zur Bewertung und Bilanzierung von
Kreditderivaten zu schaffen, hat der Bundesverband Deutscher Banken im
August 2000 einen Vorschlag dazu vorgelegt. Bei einer weiter zunehmenden
Verbreitung von Wetterderivaten ist davon auszugehen, dass Branchenverbände
und staatliche Regulierer ähnlich schnell Vorschläge unterbreiten und
konkrete Regelungen erlassen werden.
Preismodelle
Bei Aktienoptionen hat sich in den frühen 70er Jahren das
Black-Scholes-Optionspreismodell als Standard zur Bestimmung eines fairen
Optionspreises durchgesetzt und ist es bis heute geblieben. Bei der
Preisbestimmung von Wetterderivaten gibt es einen solchen allgemein
akzeptierten Standard noch nicht. Market Maker, Banken und Versicherungen
verwenden meist individuelle Preismodelle, die sie verständlicherweise nicht
veröffentlichen, da ihnen dann Vorteile bei Geschäftsabschlüssen verloren
gehen könnten.
Dies heißt jedoch nicht, dass interessierten Marktteilnehmern keine
Preismodelle zur Verfügung stehen würden. Insbesondere amerikanische
Beratungsunternehmen bieten Preismodelle zum Kauf an. Relativ einfach und
eigenständig sind vergangenheitsorientierte Szenarioanalysen zu erstellen.
In diesen wird untersucht, welche Zahlungsverpflichtungen sich
beispielsweise in jedem der letzten dreißig Jahre ergeben hätten, wenn das
zu analysierende Wetterderivat in diesen ge- oder verkauft worden wäre.
Daraus lässt sich ein Erwartungswert für den Zahlungsstrom dieses einen
Wetterderivates bestimmen, der als Grundlage für die Preisverhandlungen bei
Vertragsabschluß verwendet werden kann.
Wiederum andere Preismodelle verwenden Wettervorhersagen zur
Preisbestimmung eines Wetterderivates. Jedoch ist keine der beschriebenen
Methoden "perfekt". Die Ergebnisse der einzelnen Methoden unterscheiden sich
teilweise stark voneinander, so dass Geld- und Briefpreise für ein
Wetterderivat weit auseinander liegen können. Aber beispielsweise auch der
Terminhandel mit Strom zeigt als anderer Markt mit ähnlichen Problemen, dass
eine wachsende Anzahl an Marktteilnehmern zu geringeren Spannen zwischen An-
und Verkaufspreisen führen wird und sich bestimmte Methoden zur
Preisbestimmung durchsetzen werden.
Kosten der Datengewinnung und Datenqualität
Grundvoraussetzung zur Anwendung von Wetterderivaten ist der Zugang zu
aktuellen und historischen Wetterdaten. Jedoch variieren Qualität und Kosten
der zugänglichen Daten erheblich. Die Wetterindizes der Deutschen Börse
werden ausschließlich aus geprüften Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes
berechnet. Eine hohe Qualität ist dadurch garantiert. Die Indizes werden
darüber hinaus den interessierten Marktteilnehmern kostenlos zur Verfügung
gestellt.
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Ausblick:
Handel von Wetterderivaten an der Eurex
Die Wetterindizes der Deutschen Börse sind einfach nachzuvollziehen und
sollen in einer späteren Phase als Grundlage für Wetterderivate an der Eurex
verwendet werden. Die Voraussetzungen für einen kostenlosen Zugang zu
notwendigen Wetterdaten für Marktteilnehmer sind durch die Indizes
geschaffen. Bevor ein Börsenhandel von Wetterderivaten jedoch mit
ausreichender Liquidität stattfinden kann, müssen die vorab genannten
Handelshindernisse überwunden werden. Unabdingbar ist auch eine deutliche
Verbreiterung der derzeitigen Anwenderbasis. Denn erst wenn Banken, (Rück-)
Versicherungen und andere Market Maker so viele individuelle Wetterrisiken
übernommen haben, dass sie aufgrund des Erreichens ihrer Kapazitätsgrenzen
ohne Absicherung keine weiteren Risiken übernehmen können, wird die Eurex
mit standardisierten Wetterderivaten die geeigneten Instrumente zur
Steuerung von Wetterrisiken auf Portfoliobasis anbieten können. Wann der
europäische Markt für Wetterderivate diese Reife erlangen wird, ist aus
heutiger Sicht noch nicht absehbar. Rasante Umsatzsteigerungen in anderen
Märkten, beispielsweise das schnelle Wachstum des Neuen Marktes und der
daraus resultierende Handel mit Nemax 50 Derivaten an der Eurex oder das
Entstehen liquider Strommärkte binnen weniger Jahre, zeigen aber, dass diese
Entwicklungen auch kurzfristig vonstatten gehen können.
Die Eurex wird bei entsprechender Marktreife sowohl die oben skizzierten
Swaps als auch Optionen auf die monatlichen und saisonalen europäischen HDD
und CDD Indizes der Deutschen Börse anbieten. Die Derivate werden Laufzeiten
von bis zu 18 Monaten haben. Um einen möglichst hohen Grad an
Standardisierung zu erreichen, werden bei den Wetteroptionen jedoch
Basispreise nur in bestimmten Abstufungen, z. B. 25 HDD oder CDD, zur
Verfügung stehen.
Bei sich abzeichnender Marktreife werden die endgültigen
Kontraktspezifikationen von der Eurex zusammen mit aktiven und
interessierten Marktteilnehmern festgelegt werden. Dieses bewährte Vorgehen
soll von vornherein zu einer maximalen Marktakzeptanz führen.
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